India

Indien ist der siebtgrößte Staat der Erde. In West-Ostrichtung ist Indien ca. 3.000 Kilometer breit. Von Nord nach Süd beträgt die Distanz ca. 3.200 Kilometer. Insgesamt ergibt das eine Fläche von 3.287.590 km (Zum Vergleich BRD = 357.111,91 km). Drei Religionen, eine Teppichtradition.

Indien mit seiner großen Bevölkerungszahl von schätzungsweise 1,14 Milliarden (Stand 2011) Menschen besitzt mit über 13,4% Gläubigen den zweitgrößten Anteil an Muslims weltweit. Die Mehrheit im Lande bilden jedoch die Hindus mit 80,5%, ein weiterer Teil von 1,9% gehört dem Sikhismus an. Die Christen sind mit 2,3% vertreten. Dieses religiöse Nebeneinander ist das Resultat der bewegten Landesgeschichte, die sich auch in der Geschichte der indischen Knüpfkunst wiederspiegelt.

Historische Verknüpfungen und regionale Ursprünge

Kulturell einheitlich verwurzelt, ist das Land immer wieder politisch geteilt worden, denn nach der Herrschaft des Kaiserreichs der Maurya im 3. Jh. n. Chr. zerfiel das Land in zahllose Kleinstaaten. Erst durch die Herrschaft der Moguln wurde der Norden Indiens wieder dauerhaft vereinigt, und zur endgültigen Einigung Indiens kam es erst durch die Machtübernahme und Kolonisation der Briten im 19. Jh.

Parallel zu dieser Entwicklung finden sich erste, frühe Anzeichen der Knüpfkunst in Kaschmir, dem Himalaya-Staat zwischen Ost-Turkestan und Afghanistan. Diese Region gehörte zu den indischen Provinzen der Mongolen, und danach zum persischen Reich. Darüber hinaus ist über die indische Knüpftradition vor dem 16. Jh. nur wenig bekannt.

Der persische Einfluß

Die Bedeutung Persiens für die Kultur Indiens läßt sich am besten am Tadj Mahal betrachten. Dieses beeindruckende Bauwerk wurde zwischen 1632 und 1648 als Mausoleum für die Kaiserin Mumtaz errichtet und spiegelt die Hochzeit des persischen Einflusses auf das damalige Kunsthandwerk Indiens dar. Dieser Einfluß zeigt sich auch in der wachsenden Beliebtheit des Teppichknüpfens im Indien des 16. Jh. Unter dem Mogul Kaiser Akbar wurde das Teppichknüpfen durch ins Land geholte persische Knüpfer erstmals als Handwerk populär. Damals war in Indien alles Persische sehr beliebt, so daß auf diesen frühen Teppichen persische Dessins zu finden sind. Seitdem begann der unaufhaltsame Aufstieg der vergleichsweise jungen indischen Teppichkunst.

Indische Knüpftradition in Europa und Deutschland

Heute gehört Indien zu den wichtigsten Teppichknüpfländern weltweit - das war allerdings nicht immer so. So waren Carpets from India bis ca. 1950 in Deutschland fast unbekannt. Zwar wurden in diesem Zeitraum bereits indische, chinesische und persische Teppiche für den Export produziert, sie fanden jedoch mit ihren französischen Dessins vornehmlich Abnehmer in Großbritannien und den USA. Nur Persien, das auf eine Exporttradition bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückblicken konnte, hatte mit seinen Teppichdessins zu diesem Zeitpunkt bereits größere Verkäufe in Europa und Deutschland zu verzeichnen. Indien hatte zusammen mit Kaschmir in den frühen Jahren des Wirtschaftswunders am Absatz von Knüpfteppichen nur einen kleinen Anteil. Dies änderte sich mit der Einführung des Indo-Hamadan, der den Erfolg der indischen Afghan-Teppiche 1968/69 weiterführte. Obwohl die Qualität der Teppiche aufgrund der hohen Nachfrage in Folge leider stark nachließ, hat der Indo-Hamadan damals eine große Nachfrage an handgeknüpften indischen Teppichen hervorgerufen, die den anhaltenden Erfolg begründet.

Boden der Teppichkunst in Indien:
die Produktionsgebiete

Der Boom der 70er ließ in Indien zahlreiche Teppichmanufakturen im ganzen Land entstehen. Im wesentlichen konzentrierten sie sich auf vier Hauptproduktionsgebiete: Agra, Benares (Varanasi), Jaipur und Kaschmir. Da ein Handel auf Basaren - wie zum Beispiel in Persien - in Indien nicht praktiziert wird, agieren diese Hauptproduktionsgebiete völlig unabhängig voneinander. In Kaschmir, der Wiege der indischen Teppichkunst, werden heute die feinsten Teppiche des Landes gefertigt, zumeist mit klassischen Dessins der Safawidenzeit und im Brückenformat. Jaipur ist für seine bedeutende Rohstoffproduktion an Wolle ebenso bekannt wie für seine geometrischen Muster aus dem Schirwan-Gebiet. Die kulturelle Hochburg Agra erkennt der Kenner am Sarugh-Stil und an zentralpersischen Dessins. Und Benares ist mit seinen über zwei Mio. Quadratmetern Teppichfertigung sowie ca. 30.000 Knüpfstühlen der Produktionsspitzenreiter unter den vier Fertigungsregionen. Die Vielfalt der dort gefertigten Teppichdessins ist so groß, daß ihre Aufzählung hier den Rahmen sprengen würde.

Die Produktion in den Gebieten erfolgt nach Auftragserteilung oder durch den Besuch der Kunden in den Manufakturlagern. Viele Manufakturen lassen sich in großem Stil von Zulieferern beliefern, die in Heimarbeit fertigen.

Geknüpfte Angebotsvielfalt

Obwohl die indische Teppichproduktion aufgrund von Massenproduktion bei steigender Nachfrage früher manchmal einen eher schlechten Ruf hatte, ist ihre heutige Qualität unbestritten. Mehr und mehr Qualitäten werden mit einer immer größeren Musterskala angefertigt. Neben den traditionellen persischen Mustern gibt es nun auch türkische, kaukasische und turkmenische Dessins sowie Nomadenmuster. Es wird dabei fast ausschließlich indische Wolle verarbeitet, mit Ausnahme von Verschnitten mit Neuseelandwolle zu Kammgarn - für beste Ware. Dabei werden alle Formate hergestellt - von kleinen Matten bis hin zu beeindruckenden Übermaßteppichen.